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Titelseite / Einführung Inhaltsverzeichnis

„Jeder einmal in Berlin!“

Hinweis: Mit diesem Slogan wollte die Stadt Berlin um das Jahr 1925 Besucher anziehen.

Das Fremdenwerbungsamt Berlin
Wollt’ nach Berlin Besucher ziehn
Und suchte ‘ne Parole
Die zur Reichshauptstadt hole
Besucher aus der ganzen Welt,
Von Maas und Memel Etsch und Belt
Aus Rom, aus London und Paris,
Parole voll von Schwung und Schmiss.
Geeignet für den Fremdenfang,
Man suchte tage-, wochenlang,
Man suchte nach dem rechten Spruch,
Kein einziger war gut genug
Doch schließlich: Ja, wir haben ihn.
Jeder einmal in Berlin!
Jeder einmal in Berlin!!

Berlin ist eine große Stadt,
Die wunderschöne Straßen hat,
Was Schönres als die Linden
Ist nirgendwo zu finden.
Paris hat die Champs Elysées,
Berlin hingegen hat die Spree
Und hat das Brandenburger Tor,
Der Tiergarten liegt kurz davor
Es hat das Schloss, es hat den Zoo,
Vergnügungen gibt es en gros
Drei Opern und manch Schauspielhaus
Und jeden Abend geht man aus
Aus Belgrad, Bukarest und Wien
Jeder einmal in Berlin!
Jeder einmal in Berlin!

Doch als der Adolf Hitler kam
Und alle Not ein Ende nahm,
Wurde Berlin noch schöner,
Erreicht hat schließlich jener,
Das ganz Berlin in Trümmern liegt
Und täglich neue Bomben kriegt.
Das Schloss, der Dom, der Zoo in Schutt,
Das Brandenburger Tor kaputt
Und wo die Hedwigskirche stand,
Da ist der Boden kahlgebrannt
Des Feindes Flugzeug singt sein Lied
Man hört, wenn’s durch den Äther zieht
Dann summt und brummt und singt es kühn:
Jeder einmal in Berlin
Jeder einmal in Berlin!

Das Fremdenamt, es ruft nicht mehr.
Dagegen kommt das Russenheer
Nun von der andren Seite
Das Hakenkreuz ist pleite.
Ostpreußen, Schlesien, seid ihr los,
Berlin ist schön, Berlin ist groß
Berlin ist wirklich unerhört,
Es bietet viel, ist sehenswert,
Drum, liebe Russen, nach Berlin,
Das ist der Lockruf von Stalin
Und alle Russen folgen ihm
Begeistert und sehr ungestüm
Man hört und sieht sie heute ziehn:
Jeder einmal in Berlin,
Jeder einmal in Berlin!

Die Herren Churchill, Roosevelt
Und Stalin haben festgestellt:
Wenn wir uns nächstens sprechen,
‘S kann biegen oder brechen,
Dann treffen wir uns in Berlin,
Weil uns das sehr geeignet schien
Ja, unser nächstes Stelldichein,
Das wird in Adolfs Hauptstadt sein
Und Stalins Don Kosakenchor
Bereitet schon das Festlied vor.
Man übt sehr fleißig und studiert
Und demnächst wird es aufgeführt,
Ein Chor von Jubelmelodien:
Jeder einmal in Berlin!
Jeder einmal in Berlin!

 

 

[Lesung: Raphael Dwinger]

Transkription: Thilo von Debschitz