Der wandernde Jude von Eugène Sue
Seit Langem ist Ahasver
Nun ’ne Romanfigur,
Doch für die Christen ist er
Ein übler Spötter nur.
Er wird gar schlecht behandelt,
Er ist schließlich verdammt,
Er, der auf Erden wandelt,
Wird „Wanderjud“ genannt.
Ahasver muss mäandern
Durch alle Ewigkeit,
Durch manch Geschichte wandern,
Auch tut’s ihm manchmal leid.
Ahasverus muss ziehen,
Rastlos und immerzu
Muss er der Welt entfliehen,
Denn er find’t nimmer Ruh.
Er schleppt sich durch die Zeiten
Und find’t kein Vaterland,
Muss seinen Weg beschreiten
In Leid und Unverstand.
Und doch ist er nicht schlechter
Als jeder andere ist,
Der sich wähnt als Gerechter,
Voll Hochmut und als Christ.
Man treibt ihn durch die Lande
Voll Selbstzufriedenheit,
Schlägt ihn mit Schimpf und Schande
In Bann für allezeit.
Er geht nun seiner Wege
Im ganzen Erdenrund,
Find’t weder Ruh noch Pflege
Und keinen festen Grund.
Doch Juden ward vom Führer
Das Wandern nicht erlaubt.
Sie wurden damit ihrer
Wohl letzten Gunst beraubt.
Denn sollt ein Jud jetzt wandeln,
Man würd ihn arretier’n,
Man würde ihn misshandeln
Und schließlich ausradier’n.
Und somit ließ er fahren
Die alte Tradition,
Still sitzt er schon seit Jahren,
Auch hält er nichts davon.
Weil es ihm streng verboten,
Ist er der Welt entrückt,
Flieht nun vor den Despoten
Und ihrem Mordedikt.
Verbringt heut seine Tage,
Still, ohne Phantasie,
Ganz anders, ohne Frage,
Als bei Hugo und Sue.
Aus Not gab er das Wandern drein,
Und hält sich still, geschützt.
Man tauschte für Ahasver ein
’nen Juden, der nun sitzt.
Literarische Übersetzung: Gerd Busse
Mit freundlicher Genehmigung der Aufbau Verlage GmbH & Co. KG, Berlin; die Arbeit der Übersetzer wurde gefördert von der niederländischen Stiftung für Literatur.