25.9.1943, 1. Jahrgang, Nr. 6, Seite 15
25.9.1943, 1. Jahrgang, Nr. 6, Seite 16
25.9.1943, 1. Jahrgang, Nr. 6, Seite 17

Titelseite / Einführung Inhaltsverzeichnis

Ein kleiner Versteckling fragt

Mutter, was haben wir getan?
Warum darf ich nicht draußen spielen,
Wie kommt’s, dass ich nicht rausgehn kann,
Nur immer bloß zum Fenster schielen?

Vater verschwand am hellen Tag,
Verschleppt von Hitlers grünen Mannen,
Sag’s mir doch, Mutter, bitte sag!
Warum bloß will man uns verbannen?

Warum muss man sich jetzt verstecken,
Warum nur wünscht man uns den Tod
Und lässt uns alle fast verrecken,
Und warum gibt es das Verbot,

Dass wir genau wie alle Welt
In unserm Alltag tun und lassen
und leben könn’, wie’s uns gefällt.
Wie kommt es, dass uns alle hassen?

Warum wurd uns das Haus genommen,
Warum mussten wir alle fliehen,
Um Tod und Hakenkreuzen zu entkommen,
Warum in dunkle Ecken ziehen?

Warum gönnt man uns nicht das Licht?
Warum darf uns die Sonn nicht scheinen,
Warum muss ich, blass im Gesicht,
Im Kellerloch verborgen weinen?

Hab ich nicht auch dasselbe Recht,
Das jedem Menschen ist gegeben?
Bin doch genauso gut und schlecht,
Warum muss ich im Elend leben?

Ja, eines Tages bricht der Bann,
Dann wird man uns bestimmt befreien.
Ich werd mein Leben freudig dann
Dem Kampf für Recht und Freiheit weihen.

Literarische Übersetzung: Christian Golusda

Mit freundlicher Genehmigung der Aufbau Verlage GmbH & Co. KG, Berlin; die Arbeit der Übersetzer wurde gefördert von der niederländischen Stiftung für Literatur.

vorgetragen von Ruth Bloch