1. Jahrgang, Nr. 5, Seite 13
1. Jahrgang, Nr. 5, Seite 14

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Lied eines Enttäuschten

Als er an die Regierung kam,
Versprach uns Adolf
Dass all das Übel mit ihm als Oberhaupt
Ein Ende nehme.

Und Deutschland wird ein Paradies,
Alles Friede, Freude, Eierkuchen,
Schwindelte uns Doktor Göbbels
Zusammen mit Doktor Ley vor.

Wir bringen es bald so weit ,
Dass jeder Auto fährt,
Der Führer, unser guter Stern,
Bringt uns goldene Zeiten.

Der Volkswagen für jedermann,
Für Otto Normalverbraucher,
Dieses Propagandajuwel
Hielt alle in seinem Bann.

Und außerdem geht man auf Reisen
Durch das ganze Ausland,
„Kraft durch Freude“ organisiert den Transport,
Dann ist man aus dem Schneider.

Die Propagandatrommel erklingt,
Das Volk kommt und bezahlt,
Wie ein Hoffnungsstern leuchtet der Wagen,
Wurde uns immer wieder gesagt.

Der Wagen kam, man ging auf Reisen
Im Herdenviehverband,
Man sah Norwegen und Paris,
Italien, Griechenland.

Man sah die libysche Wüste,
Man sah den Wolgastrand,
Aß Hollands Käse, trank Frankreichs Wein,
Als „Kraft durch Freude“-Kunde.

Doch wenn man es im Nachhinein betrachtet,
Ist man amüsiert?
Nein, das war wirklich nicht das Reisen,
Das man sich einst gewünscht hat.

Und wenn ich den Wagen betrachte,
Werde ich traurig und denke,
Wie anders als in meiner Fantasie
Sieht dieser Kettenpanzer aus.

Die Reise neigt sich jetzt bald dem Ende zu,
Und ich sehe ziemlich niedergeschlagen aus,
Verschwunden ist der alte Glanz,
Die Reise war viel zu teuer.

Der Wohlstand ist vertrocknet und verblasst,
Verschwendet sind Geld und Gut,
Das Reisebüro hat uns reingelegt,
Unser Reisepreis war unser Blut.

Lektorat: Elke Eikmeier