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Titelseite / Einführung Inhaltsverzeichnis

Der Träumer

Erst wollte er nach England fahren,
Er hat den Versuch nicht gewagt.
Das ist jetzt schon über drei Jahre her,
Und es hat an seinem Herzen genagt.

Es war ein verzweifelter Anfang,
Zu Wasser fühlte er sich schwach.
Er wollte so gerne England besiegen
Und fürchtete sich vor dem Wasser.

Er wollte seinen Tee in London trinken
Und durch die Downing Street spazieren.
In Cockneys Ohren sollte erklingen
Das Deutschland- und-Horst-Wessel-Lied.

Er träumte noch von anderen Dingen,
Wie die Engländer begeistert
Ein „God Save Adolf Hitler“ singen,
Sofern sie nicht von ihm vergast wurden.

Er träumte auch von Veränderungen,
Zum Beispiel auf dem Trafalgar Square.
Das Denkmal von Räder sollte Nelson verdrängen
Und lauter dergleichen Dinge mehr.

Und nicht zuletzt die Gemälde
Aus der National Gallery.
Sie erfüllten ihn längst mit
Hass und Neid und Eifersucht.

Die Meister würden besser
Im Obersalzberg-Prunkpalais hängen,
Der Führer hat oft das Verlangen
Und stillt es dann um jeden Preis.

Er ist von seinem Plan abgekommen
Und überquerte den Kanal nicht.
Er verschob seine englischen Träume
Änderte seine Richtung radikal

Und unternahm mit großer Stärke
Und unternahm mit viel Geschwätz
Und unerhörten Armeen
Den Feldzug gegen die Sowjets.

Er nahm sich vor, die Russen
Vom Joch Stalins zu befreien
Und träumte sich schon voller Freude
Als neuer Herrscher im Kreml.

Er sah Kosaken für sich tanzen
Und hörte Balalaika-Klang.
Um seine Kriegschancen stand es prächtig
Und Adolf Hitler sei Dank,

Er hörte sich bereits als Väterchen ansprechen
Und kostete schon den Wodka-Geschmack.
Sah Triumphbögen mit vielen Blumen.
Doch das Schicksal spielte ihm einen Streich.

Seine Russlandpläne sind vereitelt,
Stalin war stärker als er dachte,
Und Hitlers Hochmut wurde gezügelt,
Weil es kam anders als gedacht.

Sein Heer wurde zurückgeschlagen,
Täglich verlor er mehr Terrain,
Und immer wieder tauchen
Ganz neue Träume in seinem Kopf auf.

Jetzt will er erst den Briten bekämpfen,
Gleichzeitig mit dem Amerikaner,
Und nach einer Niederlage beider
Will er wieder nach Russland ziehen.

Er wird Don Quijote ähneln,
Der wütend gegen Windmühlen kämpfte.
Seine Windmühlen sind drei Weltreiche,
Die ihn bald zur Rechenschaft ziehen.

Vorbei ist seine Zeit der Wunschträume,
Wie lange werden seine Tage noch dauern?
Es ist ganz anders gekommen,
Denn all seine Träume waren
Betrug.

Lektorat: Marinus Pütz, Sylvia Stawski, Ernst Sittig