2. Jahrgang, Nr. 24

Zur Einführung

Gleich als Erstes verkündete Curt Bloch den Lesern dieser Ausgabe: Die Krim ist wieder frei! Zwei Zeitungsartikel schlugen zunächst einen historischen Bogen vom Krimkrieg (1853) über die Eroberung der Halbinsel durch die Wehrmacht (1941), bei der sich Russland ebenfalls geschlagen geben musste, bis zum aktuellen Abzug der letzten deutsch-rumänischen Truppen von der Krim. In seinen Versen nennt Bloch den deutschen Plan, sich nach der Ukraine auch der Ölquellen im Kaukasus zu bemächtigen, ein „eitles Hirngespinst“. Man habe für diese Siegesträume „geblutet und gekämpft“, aber nun fielen sie „wie Ähren vor der Sense“.

Eine Pressenotiz, in der die SA (Sturmabteilung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei) für ihren Dienst bei Aufräumungsarbeiten in den zerbombten Städten gelobt wird, inspirierte Curt Bloch zu seinem Horst Wessellied – zeitgemäß abgeändert. Das nach einem SA-Truppführer benannte Kampflied – ein hasserfüllter Aufruf zur politischen Gewalt – war auch die Parteihymne der NSDAP. Während es im Originaltext heißt „Die Fahnen hoch, die Reihen fest geschlossen!“, sieht Bloch nur noch ein paar Desillusionierte, die keine Fahnen, sondern Spaten schultern. Sie haben ihr Land in Schutt und Asche gelegt und müssen nun die Trümmer räumen.

Die Meldung, ein vorzeitiger Rückzug der Wehrmacht in Italien habe die Alliierten vor „eine sehr unangenehme Überraschung“ gestellt, bot Curt Bloch eine Steilvorlage für sein Gedicht Die Überraschung von San Angelo. Darin malt er sich aus, wie die blutrünstigen Briten „völlig überrumpelt“ und „vor Wut schäumend“ dastehen, als ihnen dämmert, dass die Deutschen sie ins Leere laufen lassen. Und er ist überzeugt, dass man diese raffinierte deutsche „Kriegstaktik“ – und den Versuch der Propaganda, sogar noch eine hastige Flucht als grandiosen Sieg zu verkaufen – auch in Washington und London lustig findet.

Laut einer Zeitungsnotiz vom Mai 1944 sagte Arthur Seyß-Inquart, nationalsozialistischer Reichskommissar für die Niederlande, dass im Falle einer deutschen Niederlage die Welt für ihn nicht mehr lebenswert sei. Für Curt Bloch waren diese Worte nicht mehr als eine Pose, denn ihm schien das Ende des Dritten Reiches unausweichlich und damit auch das des Reichskommissars. Tatsächlich starb Seyß-Inquart nicht an Lebensmüdigkeit; er wurde bei den Nürnberger Prozessen als einer der Hauptkriegsverbrecher zum Tode verurteilt und am 1. Oktober 1946 hingerichtet.

In seinem Gedicht Die Sammel-Trickserei kommentiert Curt Bloch den vergeblichen Versuch des nationalsozialistischen Propagandafunktionärs Max Blokzijl, Untergetauchte aus ihrem Versteck zu locken. Nachdem weder seine Sicherheitsgarantien noch die Drohung, es könne bald zu spät sein, den gewünschten Erfolg zeigten, behauptete er nun, schon „zehntausend Untergetauchte“ hätten sich gemeldet. Bloch erkennt darin einen altbekannten Spendensammler-Trick: Niemand mag der erste auf einer Spenderliste sein, aber wenn man bereits eine (notfalls frei erfundene) Spenderliste vorweisen kann, sei der Bann gebrochen.

Je deutlicher sich das Kriegsende abzeichnete, desto lauter wurden die Durchhalteparolen. Der letzte Beitrag dieser OWC-Ausgabe beginnt mit dem ganzseitigen Nietzsche-Zitat Was uns nicht zerbricht, macht uns stärker. In einem weiteren Zeitungsausschnitt heißt es, man müsse dem „Objektivitätsfimmel“ Hass und Fanatismus entgegensetzen, es gebe „neben Siegen und Sterben keine dritte Möglichkeit“, und anders als 1918 werde man nicht kapitulieren. Curt Bloch findet es unbegreiflich, wie man zweimal auf den gleichen Schwindel hereinfallen kann, und sieht bereits das gleiche Ergebnis kommen.