2. Jahrgang, Nr. 23

Zur Einführung

Curt Blochs Gedicht An meine deutschen Leser ist ein besonders bemerkenswertes Stück. Denn es ist nicht an sein aktuelles OWC-Netzwerk, sondern an Deutsche in der Nachkriegszeit gerichtet. Er wünscht sich, dass insbesondere diejenigen seine Gedichte lesen, die gern dem Schatten der Vergangenheit entfliehen würden. Bloch möchte sie nicht bloßstellen oder verurteilen, sondern vielmehr davor warnen, dass „man euch nicht nochmal verkohlt“. Für ihn steht fest, dass nach dem Krieg ein „neuer Puppenspieler“ versuchen wird, die Deutschen „betrunken“ zu machen und zu einem „neuen Schlachtefest“ zu führen. Wer die alten Fehler vergesse, sei leicht verführbar und dann drohe wieder „das gleiche Leid“.

Im nächsten Beitrag geht es um Anton Mussert (1894–1946). Der Vorsitzende der niederländischen Nationalsozialistischen Bewegung (NSB) wurde von den deutschen Besatzern zum „Führer des niederländischen Volkes“ ernannt. Zu Musserts 50. Geburtstag rechnet Curt Bloch mit ihm und seinen Anhängern ab. Der Führer sei nur dank der Nazis an der Macht und habe weder Rettung noch Wohlstand, sondern nur Verwirrung gebracht. Aber bald verschwinde Mussert „auf den Mond“, und Holland habe wieder eine Zukunft.

Die Umschlagmontage dieser OWC-Ausgabe zeigt einen deutschen Soldaten, der mit gezückter Waffe wehrlose Zivilisten vor sich hertreibt. Im dazugehörigen Gedicht findet Curt Bloch eindrückliche Worte für die Nazityrannie, der auch er selbst seit Jahren ausgesetzt ist. Seinen Peinigern hält er entgegen, dass die Welt das Gesehene nie vergessen und ihre Rache sie erreichen werde. Und er weiß sich und andere Verfolgte zu trösten: Auch wenn die Nazis Freiheitskämpfer ermorden – die Freiheit selbst könnten sie nicht töten.

In dem Beitrag Die Hunde der NSB prangert Curt Bloch das unterwürfige Verhalten der Nationalsozialistischen Bewegung in den Niederlanden an. Er beschreibt deren Mitglieder als „Moffenkettenhunde“. Diese dienten den deutschen Besatzern „pangermanistisch“, indem sie spüren, schnüffeln und Pfötchen geben. Sie würden aber auch mit Vergnügen Menschen jagen und brave Niederländer verraten. In einem Nachwort entschuldigt sich Bloch bei seinem Hund für den Vergleich, denn dieser sei über einen NSB-Hund „tausendfach erhaben“.

Nach viereinhalb Jahren Krieg behauptete Hitlers Propagandaminister Josef Goebbels, von Krisensymptomen könne in der deutschen Bevölkerung keine Rede sein. Angesichts der offensichtlichen Not und Kriegsmüdigkeit klingt das für Curt Bloch nach Durchhalteparole und längst nicht mehr so munter wie beispielsweise Goebbels „Englandtraum“ im Sommer 1940. Damals sang man begeistert ein Matrosenlied aus dem Ersten Weltkrieg – „Wenn wir fahren … gegen Engeland“. Doch nun, stellt Bloch lakonisch fest, „fährt England gegen euch.“

Der Anlass für Curt Blochs Gedicht Pfingsten 1944 war eine Zeitungsmeldung zu den Luftangriffen der Alliierten. Sowohl an Ostern als auch an Pfingsten hatten die Briten und Amerikaner deutsche Städte bombardiert. Bloch verurteilt das moralische „Getue“ der Faschisten zu Bombardements an hohen christlichen Feiertagen. Da sie selbst schon einen Karfreitag zum „Metzeleitag“ gemacht hatten und generell auf nichts und niemanden Rücksicht nehmen, stellt er ihnen die rhetorische Frage: „Seid ihr denn solch gute Christen?“