2. Jahrgang, Nr. 29, Seite 8
2. Jahrgang, Nr. 29, Seite 9
2. Jahrgang, Nr. 29, Seite 10

Titelseite / Einführung Inhaltsverzeichnis

Propagandakorrektur

Soo dick geschält
Da bleibt von mir nicht viel übrig! Schälverluste sind vergeudetes Volksnahrungsgut. Die Kartoffelernte ist knapper als sonst. Haushalten ist die Parole! Daher: Nur Pellkartoffeln – Erste Fassung, 23 Januar 1944

Soo dick geschält
Da bleibt von mir nicht viel übrig! Das ist aber nötig, wenn die Kartoffelvorräte reichen sollen. Deshalb richtig einteilen und vor allem Schälverluste vermeiden! Wer das nicht tut, schädigt sich selbst. Daher: Nur Pellkartoffeln – Zweite Fassung, 13 April 1944

Im Januar gab man noch zu,
Die Ernte war ‘ne Pleite
Doch störte es die Seelenruh
Schriebe man das noch heute

Das deutsche Herz ist schon beschwert
Mit tausend andern Ängsten,
Wenn Deutschland nicht zuviel erfährt,
Halten wir’s noch am längsten.

Die Seelenlast ist arg genug,
Man darf sie nicht erhöhen,
So dachte Doktor Göbbels klug
Und so ist’s zu verstehen

Dass Joseph mit dem Pferdehuf
Sich weiter nicht genierte
Und jüngst den Pellkartoffelruf
Ein wenig korrigierte

Von einer schlechten Ernte ist
Nun nicht mehr drin die Rede
Und Miesmacher und Pessimist
Die finden heut jedwede

Anspielung drauf einfach verbannt,
Im eigensten Interesse
Sei’s wenn man – macht man nun bekannt –
Nur Pellkartoffeln esse

Vom wichtigen Volksnahrungsgut,
Das sinnlos man vergeude,
Spricht man nicht mehr, das schafft bloß Wut
Und brächte wenig Freude.

Gestrichen hat man auch den Satz,
Haushalten sei Parole
Solch Phrase wäre für die Katz’
Und fände Gegenpole.

Nein, solche Losung zieht nicht mehr
Und ist recht abgegriffen,
spricht heut von Volksgemeinschaft wer,
Dann wird er ausgepfiffen.

So kam’s, dass aus dem Aufruf man,
Was heikel war, entfernte
Und darum rührt man nicht mehr an
Die Knappheit eurer Ernte.

Es bangen eure Naziherren
Gar sehr um eure Seelen,
Man hält die Wahrheit von euch fern,
Selbst beim Kartoffelschälen.

Transkription: Thilo von Debschitz