29. Juli 1944
Zur Einführung
Trotz der erheblichen Bombenschäden in ihren Städten soll der Eindruck erweckt werden, dass die Deutschen unbeeindruckt ihrem Alltag nachgehen. Sogar die Schauspielhäuser setzen ihr Programm fort. Im Gedicht Deutschland spielt Theater wirft Curt Bloch den Menschen vor, mit ihrer vorgeblich guten Stimmung die Wahrheit zu kaschieren. Hinter der Fassade ihrer Heuchelei seien sie verzweifelt und kriegsmüde. Bloch ruft den Deutschen zu: „Macht Schluss mit dem Theater!“
Der Buchstabe V stand für zwei deutsche Raketentypen mit der Bezeichnung V1 und V2. Die Nationalsozialisten behaupteten in ihrer neuen V-Kampagne, diese innovativen Waffen würden eine neue Ära der Kriegsführung einleiten. Dies sollte das deutsche Volk ermutigen und den Eindruck erwecken, dass Deutschland trotz der alliierten Offensive im Krieg die Oberhand behalten könnte. V stand auch für die Bedeutung „Vergeltungswaffe“. Doch Bloch vermutet dahinter eher: „Verloren“.
Die Ermordung des rechtsextremen französischen Politikers Philippe Henriot (1889–1944) inspiriert Curt Bloch zum Gedicht Frankreich wird wach!. Der Minister für Information und Propaganda des Vichy-Regimes, der als „französischer Goebbels“ galt, wurde am 28. Juni 1944 von einem Kommando der Résistance ermordet. Die „Faschistensippe“, so schreibt Bloch einen Monat nach dieser Tat, fühle nun, dass auch sie bald der Tod ereile. „Frankreich hat ausgeschlafen“, und jeder Landesverräter werde bestraft.
Mit einer kleinen Repliek an XXX wendet sich Curt Bloch an Martin van Nierop, NSB-Mitglied und Chefredakteur des Twentsch Nieuwsblad. Dieser signierte seine Beiträge mit einem dreifachen X, deswegen spricht Bloch van Nierop mit „Driekruis“ an. Curt Bloch verurteilt in seinem Gedicht das Barbarentum der Nazis, die für den Hunger des niederländischen Volkes verantwortlich seien. Unter seinem Pseudonym Cor(nelis) B(reedenb)ek reichte er seine Verse beim Twentsch Nieuwsblad ein und verweist nun nicht ohne Stolz auf die Antwort vom Chefredakteur persönlich: Blochs Ansichten seien „banal“, daher komme dieser auch nicht als „Gelegenheitsdichter“ für seine Zeitung in Frage.
Dass Curt Bloch aus seinem Versteck heraus einen Leserbrief einsenden und van Nierop zu einer Reaktion provozieren konnte, war eine kleine Sensation. Dazu bezieht der Untergetauchte mit dem Gedicht Driekruis, I am so sorry … Stellung. Dass man ihn nicht im nationalsozialistisch kontrollierten Verlag anstellen wolle, sei für ihn kaum zu verkraften. „Ich bin nicht auserkoren, … jede Chance ist nun verloren“, spottet Bloch.
Zwar ist Bloch in seinem Versteck gefangen, doch seine Gedanken sind frei. In seiner Fantasie begibt er sich wiederholt auf Reisen, um als Reporter seines Magazins O-Töne einzufangen. So führt er ein Interview mit Stalin, um sich nach dem Stand der Offensive zu erkundigen. Der russische Machthaber gibt unter anderem zu Protokoll, dass Hitler sich im Osten verausgabt habe und die russischen Truppen „im Dauerlauf“ vorankämen. Auch Finnland werde es bald schlecht ergehen. Einen konkreten Termin für das Kriegsende mag er jedoch nicht nennen.