16. September 1944
Zur Einführung
Mit einer Titelillustration, die Adolf Hitler als Charlie Chaplin zeigt, verweist Curt Bloch auf das erste Gedicht in dieser Ausgabe: Deutsche Tragikomödie. Darin wendet er sich an das deutsche Volk, das seinen Führer ernst genommen und ihn als „gottgesandten Helden“ angebetet habe. Die Welt hielt ihn dagegen für verrückt und lächerlich. Das erwies sich als Irrtum – Adolf Hitler sei ein gemeingefährlicher Psychopath. Zum Glück gehe seine „tolle Clownerie“, die zu unzähligen Leichen geführt habe, nun schnell zu Ende. „Und wenn es nicht so traurig wär, dann wär es beinah komisch.“
In der Nazi-Presse werden Franzosen, die an der Seite der britischen Truppen für die Freiheit ihres Landes kämpfen, als „Söldner“ verunglimpft. Curt Bloch findet, dass hier begrifflich mit zweierlei Maß gemessen werde, denn das Wort „Söldner“ tauche im Zusammenhang mit Kosaken, die auf französischem Gebiet für die deutsche Wehrmacht im Einsatz sind, nie auf.
General Kurt Dittmar (1891–1959) war als Radiokommentator im Reichssender Berlin tätig, seine Einschätzungen zu den Problemen der deutschen Truppen an der Ostfront sind Thema eines Zeitungsbeitrags. Die offensichtlichen Schwierigkeiten führt er auf die Sabotage derjenigen zurück, die am Attentat auf Hitler am 20. Juli beteiligt waren. Curt Bloch findet, mit solchen Aussagen gehöre Dittmar zu den Unverbesserlichen; sie würden als Grund für die „große deutsche Pleite“ nicht die starken Feinde, sondern stattdessen Verräter in den eigenen Reihen heranführen. Nachdem nun auch dieser Weltkrieg verloren gehe, könne man es ja zu einem späteren Zeitpunkt ein drittes Mal probieren.
Im Gedicht Einmal wird der Frieden kommen malt sich Curt Bloch den „Tag unserer Träume“ aus: Die Untergetauchten können ihr Versteck verlassen und sich frei in der Welt bewegen – als „Menschen unter Menschen“. Die Narben der zugefügten Schmerzen würden sie jedoch das ganze Leben begleiten.
Ein Presseartikel berichtet von der Einstellung des Theater- und Konzertbetriebs in Deutschland zum 1. September 1944. Sämtliche Künstlerinnen und Künstler sollen entweder in den Kriegseinsatz geschickt oder als Arbeitskräfte in der Rüstungsindustrie eingesetzt werden. Im Gedicht Göbbels Kulturabbau spricht Curt Bloch zu den Deutschen: Außer der allergrößten Not sei nichts mehr geblieben, deswegen müsse man nun sogar kulturellen Verzicht üben. Er stellt sich eine Primaballerina als Fabrikarbeiterin oder Komödianten an der Front vor. Am Abbau der „letzten schäb[i]gen Reste der deutschen Kunst“ lasse sich die Verwerflichkeit des Nazi-Systems ablesen.
Diese OWC-Ausgabe erschien am 16. September – vier Tage zuvor hatten die Alliierten den Süden der Niederlande im Rahmen der Operation „Market Garden“ befreit. Curt Bloch freut sich über den guten Verlauf der Dinge – und darüber, dass die Angehörigen der niederländischen Nazi-Bewegung nun von Angst erfüllt sind. In seinen Versen stellt er fest: „Die NSBler beben.“ Deren Anführer Anton Mussert fordert, die Familien seiner Anhänger in den Nordosten der Niederlande zu evakuieren. Bloch vermutet, dass bis zur gesamten Befreiung der Niederlande nur Wochen vergehen. Allerdings wird er sein Versteck erst ein halbes Jahr später verlassen können.