2. Jahrgang, Nr. 5, Seite 13
2. Jahrgang, Nr. 5, Seite 14
2. Jahrgang, Nr. 5, Seite 15
2. Jahrgang, Nr. 5, Seite 16

Titelseite / Einführung Inhaltsverzeichnis

Ein Ziel

Vier Hinrichtungen.
Am 5. Oktober, so berichtet die Kölner Zeitung, wurden in Berlin der 64-jährige Beamte Fritz Pahnke, der 54-jährige Büroangestellte Johann Dombrowski, der 56-jährige Angestellte Fritz Groszpietsch und die 41-jährige Schreibkraft Dorothea Fonden, die vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt worden waren, hingerichtet. Diese vier Personen hatten an ihrem Arbeitsplatz, dem Wohlfahrtsamt Horst Wessel in Berlin, ein politisch aufwieglerisches Gedicht verbreitet, das in seiner unübertrefflichen Lüge und Gemeinheit dazu bestimmt war, Hass und Zwietracht zu säen und den Glauben an den deutschen Endsieg zu erschüttern. Mit diesem niederträchtigen Vorgehen haben sie das deutsche Volk, das in einen heftigen Kampf um seine Freiheit verwickelt ist, von hinten angegriffen. Die Gemeinheit ihrer Gesinnung und Handlungsweise verdient nur eine Strafe: den Tod. – 19/10 1943

Man sucht nun eine neue Flucht
Euch schmackhaft klarzumachen
Les’ ich es, fühl ich mich versucht
Herzhaft und laut zu lachen.

Doch nein, das tu ich lieber nicht
Ich muss es mir verkneifen
Ich leiste nämlich drauf Verzicht,
Dass mich die Nazis greifen.

Denn dann ging’s mir bestimmt nicht gut,
Jüngst las ich in der Zeitung,
Vergossen wurde Menschenblut,
Ja, dass wegen Verbreitung

Nur eines einzigen Gedichts
Vier Menschen mussten sterben,
Das Urteil dieses „Volks“gerichts
Würde auch mich verderben.

Vier Leben für nur ein Poëm,
Da frag ich mich verwundert,
Was würde dann mit mir geschehn,
Ich habe fast vierhundert.

Und alle ziemlich explosiv
Und sehr antifaschistisch,
Ja, ging es einmal mit mir schief,
Dann bin ich pessimistisch.

Mein Dichten ist wie Dynamit,
Ist nitroglyzerinisch,
Es bricht des Führerbaus Granit,
Satirisch, spottend, cynisch.

Doch kann ich die Sprengstofffunktion
Den Britten überlassen,
Sie werden Adolf Hitlers Thron
Den Gnadenstoß verpassen.

Dass euch bei der Gelegenheit
Auch treffen manche Schläge,
Das tut mir ab und zu zwar leid,
Doch ach, ihr wart zu träge.

Die Strafe trifft euch aus der Luft,
Aus ist’s mit euren Träumen
Gar bald ist Adolfs Macht verpufft,
Dann gibt’s viel aufzuräumen.

Die Trümmerhaufen müssen fort
Und wieder frei die Straßen,
Viel ist’s nicht, was der Hitlermord
Euch übrig hat gelassen.

Und eure Hirne müssen frei
Von jenen Wahnideen,
Die Hitler, Göring, Göbbels, Ley
In eure Köpfen säen.

So hat mein Dichten einen Zweck:
Die Hirne zu laxieren
Und Göbbels Propagandadreck
Aus ihnen abzuführen.

Es ist ein geistig ,
Das euch den Naziglauben,
Ursache eures tiefen Falls,
Definitiv soll rauben.

Herr Göbbels hat nun jahrelang
Das Denken euch vergiftet,
Nun kriegt ihr, wisst dem Himmel Dank,
Die Hirne ausgelüftet.

In meiner Dichtung will ich euch
Den Kopf gehörig waschen,
Ihr glaubtet soviel dummes Zeug,
Es wird euch überraschen.

Mein Dichten wirkt in eurem Hirn
Wie großes Reinemachen,
Nein, wirklich, Himmel Arsch und Zwirn,
Da gibt es nichts zu lachen.

Es ist ein geistiges Klystier
Das wird euch schon purgieren,
So manchen Irrtum werdet ihr
Danach wohl korrigieren.

Ich wünsche euch und wünsch der Welt,
Dass aus ‘ner Hammelherde,
Das deutsche Volk, wie schwer’s auch fällt
Ein Volk von Menschen werde.

Transkription: Thilo von Debschitz