2. Jahrgang, Nr. 57

Zur Einführung

Pünktlich zum Nikolaustag 1944 veröffentlicht Curt Bloch das Gedicht Nikolaus in Kriegszeiten: In den Niederlanden herrscht so große Not, dass der Nikolaus keine Geschenke verteilen kann. Traurig denkt er an all die guten Dinge, mit denen er Kinder und Erwachsene so gerne erfreuen würde, die aber wegen der Besatzung nicht mehr zu bekommen sind. Angesichts der kriegsbedingten Mangellage sehen Nikolaus und sein Knecht Ruprecht nur noch einen Ausweg: die Arbeit in diesem Jahr auszusetzen und auf bessere Zeiten zu hoffen.

Die V1 (Vergeltungswaffe 1) war ein moderner Marschflugkörper der deutschen Wehrmacht, fast 9.000 dieser Waffen wurden im Zweiten Weltkrieg gestartet. Ab 1944 kam das Nachfolgemodell V2 ebenfalls in großer Zahl zum Einsatz. Insgesamt wurden rund 3.200 dieser Überschallraketen abgefeuert, davon 1.610 auf Antwerpen und 1.358 auf London, Tausende Zivilisten kamen durch diese „Wunderwaffen“ ums Leben. In seinem Gedicht V2 weist Curt Bloch darauf hin, dass entgegen der hohen Erwartungen weder die erste noch die zweite Vau zum Sieg geführt habe. Er prophezeit den Angreifern sogar: „In Kurzem habt ihr ausgevaut“.

Einzigartig unter allen OWC-Gedichten ist Abschied von den ,goldenen Bomben‘, denn es ist nur als Fragment erhalten. Eine Seite wurde komplett abgerissen, von einer anderen Seite fehlt ein Stück. Curt Bloch spricht in den verbliebenen Zeilen über seinen Umzug in ein neues Versteck. Vielleicht enthielt das Gedicht Informationen, aus denen man seinen bisherigen Aufenthaltsort hätte ableiten können. Dies würde die nachträgliche „Zensur“ erklären.

Im Gegensatz zur offensichtlichen Hungersnot behauptet eine Zeitungsmeldung, dass die deutsche Versorgungslage in Bezug auf Rohstoffe und Lebensmittel ganz ausgezeichnet wäre. Doch diese Deutsche Reichsbilanz November 1944 hält Curt Bloch für gewaltig frisiert – er weiß: „Der Reichsbankrott steht grinsend in der Türe.“