1. Jahrgang, Nr. 15

Zur Einführung

Die Nationalsozialisten töten ihre Feinde nicht, sie ziehen sie aus dem Verkehr. Diese Umschreibung von Mord durch ein führendes NSB-Mitglied bewertet Curt Bloch als zynisch. Lüge habe Wahrheit ersetzt, Menschenrechte würden mit Füßen getreten, „dies ist die Herrschaft des Bösen“. Doch es werde eine andere Zeit kommen: „Jeden von ihnen wird man dann, wo man ihn auch findet, sofort aus dem Verkehr ziehen.“

In Diktatorendämmerung beschreibt Curt Bloch die kritische Lage, in der sich Benito Mussolini und Adolf Hitler befinden. Während sich der machtlose Italiener als „abgesägter Hirohito“ in bürgerlicher Kleidung präsentiere, habe auch der Führer seinen Glanz schon lange eingebüßt. Die Erfolge beider Diktatoren seien vergangen, sie spürten das Herannahen der Freiheit – und ihren baldigen Tod.

Mit dem Spottgedicht Gute Fürsorge schildert Bloch, in welcher Weise sich Reichskommissar Seyß-Inquart für das niederländische Volk einsetze. Für alles, was in der aktuellen Mangelwirtschaft nicht mehr zu bekommen sei, würde Ersatz bereitgestellt. So erhalte man „Grüne“ (gemeint ist die Ordnungspolizei in ihren grünen Uniformen) anstelle des nicht mehr erhältlichen Gemüses, für Hülsenfrüchte so manche „blaue Bohne“ (gemeint ist eine Gewehrkugel). Und wenn man man kein Taxi finde, sei das auch nicht weiter schlimm – „denn mit dem Polizeiauto macht man eine Gratisfahrt“.

In Durchbrüche abgeriegelt kommentiert Curt Bloch die Propagandameldungen zum Verlauf an der Ostfront. Die Russen hätten schon als besiegt gegolten, dann wäre die Front als „elastisch“ bezeichnet worden, nun schließlich müssten die Deutschen „heimwärts rennen“. Dennoch würden diese Niederlagen verschwiegen und russische Erfolge ebenso kaschiert wie die Todesangst der Nazis.

Diese OWC-Ausgabe erscheint im November 1944, die Deutschen müssen sich auf einen dritten schweren Kriegswinter im Kampf gegen die russischen Truppen einstellen. Curt Bloch stößt in einer Zeitung auf die Fotografie eines Wehrmachtssoldaten, der gut gelaunt seine „Wunderstiefel“ präsentiert. Diese Schuhe würden wie Siebenmeilenstiefel einen rasanten Vormarsch ermöglichen. Josef Stalin, dem man das Bild vorgelegt habe, zeige sich davon jedoch völlig unbeeindruckt.

Kiew wurde am 6. November 1943 von sowjetischen Truppen unter der Führung von Marschall Georgi Konstantinowitsch Schukow zurückerobert. Dies war ein bedeutender Wendepunkt in der Ostfront des Zweiten Weltkriegs, da die Rote Armee die deutsche Besatzungsmacht aus der ukrainischen Hauptstadt vertrieb und die Stadt befreite. Die Eroberung von Kiew war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Befreiung großer Teile der Ukraine und trug dazu bei, den Vormarsch der deutschen Wehrmacht in Osteuropa zurückzudrängen. Joseph Goebbels, der Reichspropagandaleiter, versucht diese Niederlage jedoch zu verschleiern: Die Russen hätte man in Wirklichkeit „hereingelegt“, ihre Rückeroberung von Kiew sei ein Reinfall, Deutschland haben man nicht besiegt. Curt Bloch hält die Reden des Reichspropagandaleiters für Geschwafel. Wenn dessen Lügen weh tun würden, „litte Doktor Goebbels große Schmerzen“.