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Titelseite / Einführung Inhaltsverzeichnis

Der Novemberling

Man weiß, ich bin geboren
Im Sternbild des Skorpion
Und hab mein Herz verloren
Drum an die Revolution.
Denn an meinem Geburtstag
Ist schon so viel passiert.
Da ist es ganz natürlich:
Ich wurde infiziert.

Der neunte im November,
Ein interessanter Tag.
So mancher Usurpator
Holt an ihm aus zum Schlag.
Das tat schon Catilina,
Napoleon tat es auch.
So wurde es allmählich
In der Geschichte Brauch.

In Neunzehnhundertachtzehn
Wurde auf diesem Tag
Deutschland republikanisch,
Doch bloß dem Namen nach.
Gesinnung und Charakter,
Sie blieben unberührt.
Und das hat in den Abgrund
Das deutsche Volk geführt.

Genau fünf Jahre später
In der Novembernacht
Griff dann auch Adolf Hitler
Erstmalig nach der Macht.
Damals ist er gescheitert
Mit diesem Putschversuch.
Doch später kam’s in Ordnung.
Es tut uns leid genug.

November ‘38
Wird unvergessen sein.
Man schändet Synagogen,
Schlug alles kurz und klein.

Das nächste Jahr in München
Im Brauhauskeller hat
Man auf Adolf den Führer
versucht ein Attentat.

Hat man auf solchem Datum
Das Licht der Welt erblickt,
Dann ist man unwillkürlich
Politisch angetickt.

Ich fühle mit der Masse,
Begreife ihre Not,
Und darum bin ich heute
Politisch ziemlich rot.
Hab’ ich auch heute Sorgen,
Ich achte sie gering.
Ich glaube an das Morgen.
Ich bin Novemberling.

 

 

[Lesung: Robert Dölle]

Transkription: Thilo von Debschitz