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Titelseite / Einführung

OWC-Transpirationen

Noch kleineres Format.
Aufgrund des geringen Papiervorrats und des Ausbleibens neuer Lieferungen sehen wir uns gezwungen, vorläufig erneut das Format unserer Zeitung zu beschränken. Sobald wir wieder Papier erhalten, hoffen wir, das bisher beibehaltene Format wiederherstellen zu können. – Die Direktion.

Unser Bestreben wird darin liegen, mit wenigen Worten viel zu sagen. Wir werden versuchen, durch kurze Nachrichten und prägnante Kommentare die Vielseitigkeit, Aktualität und den eigenen Charakter unserer Zeitung aufrechtzuerhalten. – Die Redaktion.

Das zwergenhafte Format der Zeitung hat verschiedene Nachteile. Man muss am Nachmittag sorgfältig die Tür geschlossen halten, damit das Twentsch Nieuwsbladeke nicht infolge von Zugluft aus dem Haus geweht wird. Es reicht kaum aus, um zwei Ersatz-Lucifer daraus zu drehen. Der Bedarf an Toilettenpapier wird nur in sehr begrenztem Maße gedeckt. Es gibt jedoch auch Vorteile. Es passt genau in den Lichtkranz einer Öllampe. Bei Tageslicht, das jetzt so kostbar ist wie Zeit und Geld, kann man es in wenigen Minuten lesen. Es ähnelt jetzt den beliebten Stadtteilzeitungen, kirchlichen Mitteilungen und illegalen Flugblättern. Die „Bans“ ist zu einem „Banske“ geworden, aber ich versichere Ihnen, dass es eine Zeitung bleiben wird, bis zum letzten Fetzen! Die Weltnachrichten in einer Nussschale, ein Kompass im Taschenformat. Kurz und prägnant! Das soll nun auch das Motto meiner Briefschreiber und Gelegenheitsdichter sein, bitte! Und wenn wir hoffentlich bald mehr Platz haben, werden wir diese Tugend der Kürze und Prägnanz aus der Not beibehalten, bei Ihnen und bei uns!
De Rakker – 4-1-45

I.
Die „Zeitung“ wird mikroskopisch klein,
Es steht kaum noch etwas drin,
Ich bekomme sie nur dreimal pro Woche,
Das ist nicht nach meinem Geschmack.

So ein Fetzen Papier liefert mir
Nicht genug Material,
Die Auswahl, die mir so eine Zeitung bietet,
Ist äußerst minimal.

Schließlich geht dem OWC
Fast der Gesprächsstoff aus,
Kann ich bis zum Frieden weitermachen,
Bin ich dazu imstande,

Das Unterwasser-Kabarett
Am Laufen zu halten?
So lange habe ich es fortgesetzt.
Geht es nun den Bach runter?

II.
Ich frage mich, wäre es, wenn es verschwinden würde,
Ein literarischer Verlust?
Und würde der Leser es gemein finden,
Wenn er in Zukunft

Nach und nach ohne das OWC
auskommen müsste?
Ich höre es schon, er sagt: Verdammt!
Jawohl, mein Abonnent,

Ich habe es deutlich gehört
Und fühle mich etwas gekränkt
Und fühle mich leicht verärgert,
Aber derjenige, der denkt,

Dass ich meine Konsequenzen ziehe
Und meine Redaktion schließe,
Der irrt sich, auch wenn es verrückt erscheint,
Ich höre nicht damit auf.

III.
Obwohl ich keine Berichte höre
Und trotz „Mangel an Stoff“
Mache ich mit den Gedichten weiter
Und halte noch nicht mein Maul.

Ich schreibe Ihnen mit meiner Feder ein Lied,
Das Lied von dieser Zeit.
Leider ist es nicht poetisch,
Es ist ein Lied vom Kampf,

Es ist ein Lied voll Bitterkeit,
Aber gleichzeitig von Hoffnung,
Nach dieser Zeit kommt noch eine Zeit,
Die Welt nimmt ihren Lauf.

IV.
Fortwährend dreht sich die Erde im Kreis
Wir drehen uns mit ihr,
Und was heute noch oben war,
Fällt morgen in sich zusammen.

Die Macht brutaler Willkür,
Die heute noch regiert,
Besteht bald nicht mehr,
Die Freiheit triumphiert.

Wir sind heute am Boden
Und der Verzweiflung ausgesetzt,
Aber Hitler, der dieses Unheil schickte,
Wird vielleicht morgen sterben.

Und dann sind wir wieder obenauf
Und finden es okay,
Wenn es soweit ist, dann stelle ich
Das OWC von selbst ein.

V.
Bis zu diesem Tag bitte ich Sie,
Wohlwollend zu erlauben,
Mit dieser Art von Kriegs-„Poesie“
Noch weiterzumachen.

Ich lasse, so gut ich kann,
Noch immer den Mut nicht sinken,
Bin humorvoll nach Plan
Und hoffe, dass ich gewinne.

Das Lächeln fällt mir allerdings
Heute etwas schwer,
Das Leben wird mir manchmal zu hart
Und wirkt manchmal wie eine Strafe,

Aber das OWC hält mich bei der Arbeit
Und gibt mir dadurch viel,
Es hält mich fit, es hält mich stark,
Es hält meine Moral aufrecht.

Die OWCs sind Gymnastik
Erhalt von Seele und Geist,
Und ich hoffe nur, dass mein Publikum
Sie mit Vergnügen liest.

Lektorat: Marja Kretschmar