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Kraftprotzerei

Das Weltgeschehen.
„Bis hierher und nicht weiter!“
Nach der kürzlich abgegebenen Erklärung des stellvertretenden Reichspressechefs Suendemann, dass vom deutschen Oberkommando an der Ostfront bald ein „Bis hierher und nicht weiter“ ausgesprochen werden wird, folgte am Dienstag eine klare Aussage von Dr. Frank, der in einer Rede in Krakau die militärische Situation ausführlich besprach. Der Generalgouverneur erklärte, dass der Rückzug der deutschen Armeen in der Sowjetunion nicht aufgrund der Schwäche der deutschen Streitkräfte erfolgte, sondern aufgrund allgemeiner militärischer und strategischer Umstände. Die deutschen Truppen seien bereits jetzt in der Lage, den Sowjets eine angemessene Antwort zu geben. Die oberste Heeresleitung hat Pläne so zusammengestellt, dass die Wirkung der Gegenmaßnahmen eines Tages deutlich sichtbar werden wird. Der Sowjetunion wird alles heimgezahlt, und die Deutschen werden – dies ist nicht sein Glaube, sondern sein Wissen – auf dem kleinen Fleck des Generalgouvernements die Ernte einfahren. In Berliner militärischen und politischen Kreisen wird dieser Aussage von Dr. Frank eine große Bedeutung beigemessen, weil er das Datum der deutschen Gegenoperationen näher bestimmt hat. Selbst in den höchsten deutschen Kreisen wird die Ernsthaftigkeit des Krieges im Osten keineswegs unterschätzt, und wiederholt wurde in der Wilhelmstraße auf die kritische Situation am Südflügel hingewiesen. Wenn dennoch führende deutsche Persönlichkeiten ihren absoluten Glauben an den Ausgang des Krieges im Osten und des Krieges insgesamt bewahren, beruht dieser Glaube nicht auf einem Glauben, sondern auf einer Wissenschaft, von der Dr. Frank in Krakau sprach. – 31-3-44

Trotz der Ernsthaftigkeit der Situation, die, wie gesagt, in deutschen Militärkreisen nicht verheimlicht wird, sind die offiziellen Aussagen dieser Kreise dennoch oft optimistisch gehalten. Der militärische Sprecher der Wilhelmstraße ging heute sogar so weit zu erklären, dass die deutsche Wehrmacht, wenn sie sich ausschließlich auf die Ostfront konzentrieren würde, Moskau erobern könnte. Die Taktik, die das deutsche Oberkommando gewählt hat, um der gesamten militärischen Situation gewachsen zu sein, besteht jedoch darin, die Sowjet-Russen mit so wenigen Streitkräften wie möglich in Schach zu halten, um auch anderen Punkten in Europa die notwendige Aufmerksamkeit schenken zu können. – 31-3-44

In allen deutschen Blättern prunken
Die Nazis mit der deutschen Kraft,
Es spiegeln vor euch die Halunken
Dass Deutschland es ganz sicher schafft

Und trotz der hoffnungslosen Lage
Stellt man den Zustand rosig dar,
Der Endsieg steht ganz außer Frage
Machen euch alle Bonzen klar.

Von Adolf oben bis hinunter
Zum allerkleinsten Funktionär
Tut man recht aufgeweckt und munter
Fällt das auch heute ziemlich schwer

Der Stellvertreter des Herrn Dietrich,
Reichspresseleiter Sündemann
Erklärte jüngst sehr wahrheitswidrig,
Dass in sehr kurzer Zeit wohl an

Der Ostfront werde Halt geboten
Dem Vormarsch der Roten Armee,
Doch nur die größten Idioten
Glauben noch seinem Exposé.

Die meisten sind heut schon gescheiter
Durchschauen klar den ganzen Mist,
Sehn, dass „Bis hierher und nicht weiter“
Im Osten ausgeschlossen ist.

In Russland gibt es keine Pause,
Der Russe lässt euch keine Chance
Es geht zurück, es geht nach Hause,
Der Optimismus Dr. Franks.

Das deutsche Heer sei wohl imstande
Zu ‘ner entscheidenden Aktion
Das zeige sich im Sovjetlande
Bestimmt in aller Kürze schon,

Ist gleichfalls Schwindel nur und Pose,
Ist gleichfalls nur Kraftmeierei,
Misslungen ist die ganze Chose,
Russland und Balkan werden frei.

Der deutsche Rückzug nimmt kein Ende
Und unaufhaltsam geht’s zurück
Und nimmermehr gibt es ‘ne Wende
In Hitlerdeutschlands Missgeschick

Und dennoch zeigt man voll Vertrauen
Sich noch und äußerst zukunftsfroh
Und bleibt vom Endsieg wiederkauen
Als auf dem letzten Halme Stroh

Man leugnet alle deutsche[n] Schwächen
Den harten Tatsachen zum Trotz
Zum Gipfelpunkt sieht man erfrechen
Sich einen Nazikräfteprotz,

Der ruft: Wenn Hitler wirklich wollte
Dann nähme er selbst – Moskau ein,
Ein kriegerischer Pfarrer Nolte,
Bloß scheints noch nicht soweit zu sein.

Vorläufig sei es wohl am besten
Wenn man im Osten sich noch schont
Weil sich das späterhin im Westen
Bei einer Invasion sehr lohnt.

Man lässt noch seine Muskeln spielen
Und prahlt, wie schrecklich stark man ist
Und zeigt sich heute trotz der vielen
Enttäuschungen als Optimist.

Man denkt, vielleicht geht’s noch ‘nen Winter,
Schreit man nur zukunftssicher laut,
Doch Deutschland weiß: ‘s steckt nichts dahinter,
Der Nazischwindel ist durchschaut.

Transcription: Thilo von Debschitz