Theater trotz Terror
Heute Komödie spielen?! Die Anwege zu vielen Berliner Theatern führen durch Dolomiten von Häuserruinen, und zahllose Erinnerungen sind auf Schritt und Tritt begraben. Indessen – es wird Theater gespielt.
Illustrierter Beobachter – 25-5-44
Man weiß, dass es euch dreckig geht
Und doch dürft ihrs nicht zeigen,
Ihr tut als ob ihr prima steht
Und tanzt den Nazireigen
Nach außen zeigt ihr keinen Riss
Und zeigt ihr keine Spaltung
Und ihr mimt Stimmung, ihr mimt Schmiss
Und wahrt ‘ne frohe Haltung
Und Hitler ist der heil’ge Geist,
Messias und Gottvater,
Den jeder lobt und jeder preist,
Denn: Deutschland spielt Theater.
Ob Ostfront, ob Atlantikwall,
Für euch sind’s Niederlagen,
Ihr kriegt nun Schläge überall
Und scheint sie froh zu tragen.
Wie sehr das Schicksal her euch nimmt,
Ihr lasst es doch nicht sehen,
Ihr wahrt die Pose und ihr mimt,
Als sei euch nichts geschehen.
Ihr tut, als machten euch nichts aus
Die tausend Bombenkrater,
Als misst ihr gerne euer Haus,
Ihr lacht und spielt Theater.
Ihr haltet aus in Sturmgebraus
Und in Terrorangriffen,
Das deutsche Volk mit Mann und Maus
Hat bisher nicht gekniffen.
Die Heimat zeigt sich diesmal wert
Der Tapferkeit des Heeres,
Verliert sie heute Haus und Herd,
Sie trägt es heut als wär’ es
Das Hexenhaus im Lunapark,
Das Teufelsrad im Prater,
Ihr zeigt euch gut gelaunt und stark
Und spielt doch bloß Theater.
In Wahrheit geht’[s] euch weniger gut,
Als wie ihr heut lasst scheinen,
Ihr seid verzweifelt und habt Wut
Und möchtet oftmals weinen.
Ihr machtet oftmals gerne schlapp,
Ihr seid des Krieges müde,
Die Herzensstimmung geht bergab,
Das Herz fragt, wann kommt Friede?
Doch tut ihr noch, was euch befiehlt
Der Hakenkreuzberater,
Ihr lächelt, fällt’s auch schwer und spielt
Komödie und Theater.
Wie lang währt noch dies Possenspiel,
Und tut ihr froh und heiter,
Wie lang mimt ihr dies Glücksgefühl?
Das geht nicht stets so weiter.
Die Heuchelei ist sicher nicht
Von allzu langer Dauer,
Bald fällt die Maske vom Gesicht
Und man sieht Schmerz und Trauer
Ihr habt euch lang genug verstellt,
Nun kommt der große Kater,
Das Spiel ist aus, der Vorhang fällt,
Macht Schluss mit dem Theater!
[Musik: Udio Beta / Prompting: Q Kreativgesellschaft, Wiesbaden]
Transcriptie: Thilo von Debschitz